Familie De La Fontaine

Für jemanden, der sein Königreich mit so viel Nachsicht zu regieren scheint, ist Llyr im Privaten relativ ekpatisch. Zumindest, seit seine erste Frau gestorben ist und er sich im Anschluss einer neuen Ehe widmen musste. Gewiss liebt er Oceana, doch seine Gefühle für sie können mit jenen, welche er einst für Cordelia verspürte, nicht konkurrieren.
Eigentlich will er es nicht, aber er kann einfach nicht anders, als den beiden Zwillingen die Schuld für das verfrühte Dahinraffen seiner großen Liebe in die Schuhe zu schieben und ist sichtlich entspannter, die beiden Mädchen außer Haus zu haben.

Die hübsche Rothaarige war einst die erste Ehefrau des regierenden Königs Llyr. Ihren Kindern wurde sie stets als aufopferungsvolles, empathisch veranlagtes Wesen beschrieben. Obgleich sie über die Fähigkeit verfügte, an Land zu wandeln, machte sie von dieser nach ihrer Heirat keinen Gebrauch mehr.
Schon vor der Geburt der Zwillinge war sie gesundheitlich ein wenig angeschlagen, doch sie schaffte es, die Schwangerschaft durchzustehen. Jedoch verstarb sie kaum ein Jahr später, als eine andere Krankheit sie dahinraffte.

Die zweite Ehefrau von Llyr … bemüht sich. So viel steht fest. Den halbverwaisten Zwillingen war sie ein Ersatz für ihre verstorbene Mutter, doch sobald sie ihr erstes eigenes Kind gebar, waren die beiden Mädchen sowie die Prinzen wie vergessen. Vorhalten konnte man es ihr vielleicht nicht – schließlich waren es ihre eigenen Nachkommen – doch man würde lügen, wenn man behauptete, es verletzte die Kinder nicht ein wenig. Sicherlich war sich Oceana dessen irgendwo bewusst, doch der Umstand, dass sie an ihrem Verhalten nichts änderte, sprach Bände.
Ihren eigenen Kindern gegenüber ist sie offen und freundlich. Großherzig. Etwas, was man bei der Beziehung zu den anderen Sprösslingen wohl kaum behaupten kann. Bei diesen zieht sie komplett auf die Stiefmutter-Schiene und verhält sich geradezu klischeehaft bösartig, wann immer ihr werter Ehemann den Blick abwendet.

Dem ersten Prinzen lastet das Gewicht der gesamten Familie auf den Schultern. Womöglich sogar das seiner zukünftigen Untertanen. Sicherlich nichts, worum man ihn beneiden würde, und auch Mylan hat nicht gerade viel Spaß an seinem Leben. Es ist ein einziges, mit politischen Hinterhalten durchzogenes Schachspiel. Selbst seine Verlobung ist bloß ein fahriges Bündnis – von echter Liebe kann hier keine Rede sein.
Seine Geschwister sind sich nicht sicher, ob er der verantwortungsvollen Aufgabe gewachsen ist, später einmal auf dem Thron ihres Vaters zu sitzen – schon gar nicht, wenn ihm Oceana im Nacken sitzt, die lieber ihre eigene Erstgeborene mit der Krone auf dem Schopf dort sitzen sehen würde.

Einige Jahrzehnte nach dem Kronprinzen wurde auch der nächste Prinz geboren. Frei von den Lasten und Verantwortungen eines Kronprinzen konnte Alexandre sein Leben deutlich mehr genießen als sein werter Bruder. Etwas, das sich heute deutlich in der lockeren Persönlichkeit des Mannes widerspiegelt. Er herrscht über das Meer der Ägäis mit einem Mädchen an seiner Seite, welches er sich zwar nicht selbst aussuchen durfte, aber dennoch zu lieben gelernt hat. Sowohl zu seinem Bruder als auch zu seinen beiden Schwestern hält er regen Kontakt – wobei er den Mädchen insgeheim, genau wie sein Vater, die Schuld am Tod ihrer Mutter zuschreibt.

Ursprünglich stammt die schwarzhaarige Sirene aus dem japanischen Meer, wo ihr Vater über ein kleines Gebiet herrscht. Die Ehe zu Alexandre mochte politisch motiviert sein, doch das hielt sie nicht davon ab, Gefühle für einander zu entwickeln. Man kann ihr ansehen, dass sie den Prinzen aufrichtig mag und sich um ihn sorgt, was sie in den Augen ihrer Untertanen deutlich sympathischer macht. Zu ihren Schwägern und Schwägerinnen hat sie ein positives, wenn auch lockeres Verhältnis.

Wenige Jahre nach ihren Brüdern wurde Coralie als erste Prinzessin des Königspaars geboren. Allein dieser Umstand machte sie bei ihrem Volk sehr beliebt, wie auch die Tatsache, dass sie ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten war – mit der Ausnahme, dass sie die dunklen Haare ihres Großvaters hatte. Im Gegensatz zu ihrer Mutter allerdings war ‚Mitgefühl‘ für sie ein Fremdwort. Sie wusste es ganz und gar nicht zu schätzen, dass nach ihr gleich zwei weitere Mädchen das Licht der Welt erblicken sollten. Sie fühlte sich ihrer Aufmerksamkeit beraubt und hegte einen tiefen Groll gegenüber ihren beiden Schwestern. Glücklicherweise musste sie die beiden nicht lange ertragen, da sie schon bald über ihr eigenes Gebiet herrschen durfte, obgleich sie ihr Gesicht immer mal wieder im Palast blicken ließ, damit ihr Volk sie nicht vergaß. Ihren Prinzen durfte sie sich tatsächlich selbst aussuchen, worauf sie sich eine Menge einbildet. Die Hochzeit der beiden steht noch aus, da Coralie darauf besteht, dass es ein unvergessliches Ereignis wird.

Zu dem Neuzuwachs ihrer Familie pflegen besonders seine Frau Kaia, deren Schwester Meera sowie der erste Prinz, Mylan, ein sehr positives Verhältnis. Wo sich Letzterer recht gut in die Schuhe des Jüngeren hineinversetzen kann – obgleich dieser einer jüngeren Generation entspringt und damit einige Jahre an Lebenserfahrung zwischen ihnen liegen – weiß Meera bloß zu schätzen, wie glücklich der junge Mann ihre Schwester macht. Zu seiner an Land wandelnden Schwägerin hat er eine recht gute Verbindung, und sie scheut sich nicht davor, das glückliche Paar dann und wann einmal zu besuchen.

Obgleich Zwillinge bei Sirenen doch eher eine Seltenheit waren, wagte es kaum jemand, die beiden Mädchen als Wunder zu betrachten. Das Verhältnis der Schwestern zu einander war ein Gutes – wie sollte es auch sonst sein, wenn gefühlt der Rest der Welt gegen die beiden gerichtet war? So ließen sich die Zwillinge nach ihrem achtzehnten Geburtstag ganz in der Tradition ihres Königreichs einige Runen und Schutzsymbole auf den Körper tätowieren, welche allein den Hexen und Elfen nicht verborgen blieben.
Anders als ihre Schwester schaffte Kaia es nicht, die Wandlung in einen Menschen vollständig zu erlernen, womit sie nicht als landgehende Botschafterin ihres Reiches fungieren konnte. Glücklicherweise fand man anderweitig ‚Verwendung‘ für sie, indem man sie mit dem Kronprinzen eines anderen Königreiches verlobte.
Trotz des Mangels an Zuneigung während ihrer Kindheit und Jugend hat sich Kaia zu einer liebevollen Sirene entwickelt, welche das Wohl anderer nicht selten über ihr eigenes zu stellen pflegt.

Als erste Tochter der neuen Königin hatte es Jewel wohl niemals leicht. Obgleich ihre Mutter sie mit ihrer Zuneigung und Aufmerksamkeit geradezu erstickte, war die Meinung ihres Königreichs zwiegespalten. Zögerlich. Niemand wusste so recht, wie man zu den Kindern von Oceana stehen sollte, wo doch ein Spross ihrer Vorläuferin den Thron einnehmen sollte. Das Verhältnis zwischen Mylan und Jewel war ziemlich angespannt, weshalb sie mehr als nur erleichtert war, als ihr die Wandlung in die menschliche Gestalt gelang und sie als Botschafterin ihres Landes nach Skandinavien reisen konnte. So entging sie den gierigen Klauen ihrer Mutter und den verurteilenden, erwartungsvollen Blicken ihrer Untertanen und Geschwister. Sie mag ihre Arbeit an Land und weigert sich vehement, gegen den Kronprinzen vorzugehen, um selbst auf dem Thron platznehmen zu können.

Cove ist jemand, der nicht so recht weiß, was er mit sich anstellen soll. Wobei das wohl niemand tut. Er ist unschlüssig, was er von seiner eigenen Zukunft erwartet, welche ihm langweilig und vorgegeben erscheint. Als Prinz hat er nur ein begrenztes Fenster an Freiheit und Möglichkeiten, doch er weiß einfach nicht, welche von diesen er ergreifen soll – aber vor allem wie, wenn ihm seine eigene Mutter bei jedem Schritt in den Nacken atmet. Er spürt den Druck ihrer Erwartungen bei jeder Gelegenheit. Generell ist er einfach nur ein wenig verloren und braucht jemanden, der ihn in die richtige Richtung lenken kann – ihn dazu motiviert, in sich selbst zu blicken und zu finden, was seine Leidenschaft entflammen könnte.

Mit ihren fünfzehn Jahren ist Mireille der jüngste Spross der Familie. Schon früh entdeckte sie, dass ihre Singstimme sogar unter denen der Sirenen deutlich durch ihren kristallklaren Klang und ihre Schönheit hervorstach. Etwas, das wirklich gefährlich war. Mireille verfügte über die besondere Gabe, andere Wesen mithilfe ihres Gesangs zu heilen, was die Verlockung zu singen, umso unerträglicher für sie machte. Während ihre Mutter beinahe vor Stolz platzte, war der Rest ihrer Familie in sorge um die Jüngste – schließlich war es kein Geheimnis, das Sirenen mit dem Gebrauch ihrer Stimme auch sich selbst in den Wahnsinn treiben konnten. Ein Schicksal, welches niemand für das aufgeweckte Mädchen wollte.