Familie Emerson

Sir! Keine andere Anrede duldete Grandpa, aber die Enkel ließen sich nicht lumpen. Bruno rief Bryson ab und an trotzdem Opapa. Der Politiker gehörte zu den engagierten Seelen in Ostholt und wäre sein Sohn nicht gestorben, unter solch dramatischen Umständen, wäre er vielleicht in der Stadt der Ahnen geblieben. Doch, so konnte der Älteste es einfach nicht aushalten. Er zog mit seiner Frau weg, nach NY. Hier haben die Rentner sich eine neue Existenz aufgebaut, sind ebenfalls in der Upper East Side als gute Wohltäter bekannt, leben ihre Kirchengemeinde. Bruno hat sie noch nicht besucht, weiß aber, dass er es jederzeit tun dürfte und die Zwei ihn mit offenen Armen empfangen würden, sollte er dem verlockenden Angebot eines Plattenvertrags doch nachkommen wollen. Bryson schreibt mit ihm Briefe, auf eine altmodische Art mit Feder und Tinte. Manchmal, da denken sich die cleveren Köpfe sogar versteckte Codes aus und foltern den Anderen mit Rätseln. Bruno ist sehr dankbar, dass er die Beiden hat, selbst wenn sie nicht mehr in Ostholt sind.

Eintöpfe kriegt keiner besser hin als Großmütterchen und Annabelle liebt ihre Rolle in der Familie. Sie lässt bis heute Vernunft und Wärme walten, schlichtet Konflikte und Bruno hat sich viel, sehr Vieles, von ihr abgeschaut. Anne, wie sie aus Einfachheit genannt wird, arbeitete lange im Rathaus und führte sogar Trauungen durch. In NY, einer Großmetropole, geht sie keinem Job mehr nach. Offiziell nicht. Die alte Dame ist der Kummerkasten in der Kirchengemeinde und eine stolze Chorleitung. Ganz dem Wolf in sich entsprechend, blüht die Lady auf, wenn sie mit vielen zusammen ist und möchte die Termine mit den anderen Singvögelchen nicht missen. Einmal am Wochenende ruft Annabelle an, um sicher zu gehen, dass Bruno sein Leben nicht bloß auf der Couch und zwischen seinen Instrumenten verbringt. Sie ist sein allergrößter Fan, lässt sich manchmal spontan bei seinen Gigs blicken, was ihn unglaublich rührt.

Alpha, Polizist, liebender Ehemann und guter Familienvater. In seinem Leben schien Lawson alles von Grundauf richtig gemacht zu haben, ihm schien das Schicksal holt. Er war eine herbe Nuss, ausgestattet mit einem trockenen Sinn für Humor, doch er hat immer geholfen und ließ sich nie die Butter vom Brot nehmen. In seinem Kopf hat er kein Wesen, noch die Menschen über einen Kamm geschert, gab allen eine Chance und half bei einem Notprogramm für fehlgeleitete Jugendliche. Die Gemeinde war Lawson wichtig, ebenso der Zusammenhalt. Der Pfundskerl wollte beweisen, dass Werwölfe sich gut intrigieren können und legte Beweise vor. Niemand rechnete damit, dass der Deputy auf einer Geschäftsreise dem Tod begegnete und unter derart schrecklichen Umständen starb: durch einen Vampir-Biss. Endgültige Sache, und die Familie erschütterte es, weil auch seine Gefährtin mit ihm starb. Bruno hat gewusst, wie wenig er den Vorstellungen seines Vaters entsprach, stritt sich oftmals mit ihm, dennoch pflegte man ein solides Band an Vertrauen und Zuversicht. Ihm fehlt die Stütze, auch die starke Schulter, die Lawson jedem anbot.

Freundlich, aber - ohoho! - taff. Besser ließ sich die Power-Frau kaum beschreiben. Maeve begegnete allen mit einem Lächeln, besaß eine fröhliche Persönlichkeit und konnte einem selbst eine kaputte Bürste an der Haustür andrehen, auch wenn man die überhaupt nicht brauchte. Die Maklerin war ein kleiner Star in ihrem Geschäft und vertickte Luxus-Immobilien in Louisiana. Viel unterwegs, hart am Arbeiten, fand sie trotzdem zeit für die Kinder und Familie; die stand über allem. Die Blonde hielt die Jungs zusammen, mischte auch mal die Familie mit verrückten Trip-Ideen aus, warum einige ulkige Erinnerungen an wilde Camping-Nächte überdauern werden. Bruno merkt, dass ihre Liebe im Haus fehlt und sie nahm auch einen großen Teil seiner Fröhlichkeit mit sich ins Grab, noch heute, plagen ihn nämlich Gewissensbisse. Er hätte mit ihr sterben können, sollen – müssen? Hautnah erlebte der Jüngste, wie der LKW sie auf der Straße erfasste und zersplitterte. Etwas, das sich in seine Netzhaut brannte und ihn mies träumen lässt. Da sie Magnolien liebte, bringt er jede Woche frische vorbei. Das Mindeste, findet Bruno.

Ganz nach dem Vater und Großvater kommend, hat Jordan die Disziplin mit einem XL-Löffel zu sich genommen. Er gilt als hart, aber nicht kalt oder abweisend. Der Werwolf ist einfach anders gepolt: ein ernster Brocken, der nur lacht, wenn die Witze vor Sarkasmus triefen. Die Bindung zu seinen Brüdern war gut, und eine Zeitlang sah Bruno sogar zu ihm hoch, bis die Kabbeleien mehr wurden und Jordan zu einem kleinen Arsch mutierte, denn er sprach aus, was er dachte – ohne Rücksicht auf Gefühle, so zielten seine verbalen Hiebe gegen die Nieren. In der Gemeinde war der Bursche trotzdem beliebt, galt er als Schönling mit gutem Charakter. Jemand, der seiner Familie alle Ehre macht. Er wählte beruflich das Militär und kletterte in den Rängen schnell hoch, weil er sich mauserte; eben ganz den Werten der Vorfahren entsprechend. Er kam immer nach Ostholt zurück, bloß nicht lange. Nach dem Verlust ihrer Eltern konnte der Lockenkopf keinen Fuß mehr ins Haus setzen, brauchte eine Pause. Der Kontakt ist zu ihm aber noch vorhanden, denn der Soldat ruft fast täglich an und berichtet davon, dass er wieder in die Heimat ziehen möchte. Bisher weiß keiner, dass Jordan bei einer Mission schwerer verletzt wurde als bekannt, sodass er selbst als Wolf Probleme mit der Regeneration hat, denn das Bein will nicht so heilen, wie gewollt. Grund genug, mal eine Schippe ruhiger zu machen und Bruno unter die Arme zu greifen, mh? Das Küken hat in seinen Augen eh eine strengere Hand nötig.

Weltenbummler, allein dieser Begriff, zeichnet Silas irgendwie aus. Die Brüder haben ein recht gutes Verhältnis zueinander, haben sich den Rücken gestärkt und sind auch gemeinsam gegen Jordan an, wenn der Älteste mit seiner Härte negativ ins Gewicht fiel und die Jüngeren herumkommandierte. Silas ist früh flügge geworden und war fast überall in der Welt zuhause. Beruflich hat der Werwolf sich nie festgelegt und tat, wonach ihm der Sinn stand. Er war Lehrer in Afrika, Hilfsarbeiter in Mexiko und hat enorm viele Erfahrungen in Europa gesammelt. Ihn hat der Tod der Eltern hart getroffen, warum Silas lange nichts von sich Hören lassen hat, nach der Beerdigung. Seit drei Jahren war er nicht mehr daheim, meldet sich seltener, doch angeblich will der Lebemann nun endlich nach Ostholt kommen und sesshaft werden. Ob das stimmt, liegt noch in den Sternen begründet.

Unglaublich trottelig, doch charmant lächelt die lokale Berühmtheit in die Kameras von Fans oder Gesichter der alt eingesessenen Gäste im Café D’Aurora, wo Bruno Emerson nach mehreren Jahren als Aushilfe quasi zum Inventar gehört, und sogar mit gutem Italienisch die Bestellungen annimmt. Der 25-Jährige Werwolf ist Musiker mit Leib und Seele, sogar recht populär in ganz Louisiana und hätte längst eine große Nummer im Show-Business sein können, aber mehrere Gründe halten ihn noch immer ab, Ostholt zu verlassen und einem Label beizutreten. Über soziale Medien vertreibt der Sänger seine Werke jedoch genauso gut alleine; sozusagen freischaffend. Ohne Druck und Verpflichtungen. Nach dem Verlust seiner Eltern vor fünf Jahren, brauchte der reiche Erbe eine emotionale Schaffenspause und schwebte eine Zeitlang in der Luft bis ihm seine Freunde und Songs auffingen. Inzwischen studiert Bruno am gerühmten Elven Harmony Conservatory im 2ten Semester und hat aufgehört das Leben planen zu wollen, weil das Karma eh jede Sekunde mit einem gezückten, roten Stift antanzt. Die gute Seele mit dem Bestreben nach Harmonie, und den offenen Ohren für jedermann, ist ewiger Dauer-Single und findet Liebe bisher nur in seinen Liedern. Dem Lunaris-Rudel die Treue geschworen, hat der Delta-Rüde dort keine besondere Position inne, lauscht aber auf die Gespräche in der Stadt und dient als Informationsquelle aus High Society Kreisen, da er aufgrund seines sozialen Hintergrunds Teil der oberen Hundert in der Gemeinde ist.